Mittagessen war 1 Stunde Ruhe zu befolgen und eigenartigerweise war an jenem Mittag das Radio im kleinen Schlafsaal zugestellt. Achtung, eine Durchsage! Der Führer spricht! Wann, wo, warum war kein Thema. Wir mussten zum Vorkonfirmanten - Unterricht nach Schellsitz. Wie bekamen wir das in den Griff? Fräulein Schulze, unsere Lagerleiterin, bestand darauf, dass wir uns persönlich bei Pfarrer Werner im kleinen Dorfkirchlein vom Unterricht befreien lassen sollten. Tags zuvor bekamen wir Holzpantoffeln, die im Waschraum zu tragen waren. Ein Gaudi - jeder schnappte seine Pantinen und düste zur Fähre. Das war die erste Geräuschkulisse - mit Anlauf in den Holzkahn. Die wilde Horde stürzte in die heute herrlich restaurierte Barockkirche. Wir überschlugen uns, unser Anliegen vorzutragen. Der betagte Pfarrer war von Großjena nach Schellsitz gekommen, gewiss mit dem Rad aufwendig, aber wer bedachte das schon. Kopfschüttelnd entließ er uns zurück ins Lager - wir waren in Siegerpose. Heute, wo wir das Leben gelebt haben, es sind fast 60 Jahre ins Land gegangen, erkennt man die Irrungen und Wirrungen, die eine Diktatur nach sich zieht - immer wieder gibt es Herrscher und Beherrschte!
Gisela Große-Lindner, Wolfen (1944)
Unterkunft im "Alten Felsenkeller"
1944 - Wir Schülerinnen aus Halle hatten unsere zweite Heimat im “Alten Felsenkeller” gefunden. Des Terrors wegen war “KLV” angesagt. Bei Friedchen und Walter Weiland waren wir geborgen und die Gemeinschaft trug uns 12 jährige. 50 Grazien an der Zahl, Lagerleiterin und zwei Jungmädelführerinnen, das war unsere Großfamilie. Nach dem