daß es demnächst nach Naumburg gehen würde. Ein Schützenpanzer-Transport ist an die russische Front zu begleiten. Das weitere Ziel ab Naumburg ist nicht bekannt. Ich packe meine wenigen Habseligkeiten in Tornister und Brotbeutel. Abmarschbereit liegt es unter dem Bettgestell.
Am 10.01.44 werde ich 3.00 Uhr geweckt. 5.45 Uhr müssen wir am Bahnhof in Waldheim sein. Die sechs Kilometer sind schnell zurückgelegt. In Weißenfels steige ich unerlaubt mit zwei Kameraden aus dem Zug, um einen Abstecher zu meinen Eltern nach Storkau zu machen. Nach ordentlicher Stärkung bei Muttern und kleiner Verschnaufpause marschieren wir zurück zum Weißenfelser Bahnhof.
Gegen 17.00 Uhr kommen wir in Naumburg an und melden uns beim Panzernebenzeugamt. Einquartiert sind wir in der Jägerkaserne am Jägerplatz. Ab sofort wird "Ausgang" angestrebt, denn es gilt Naumburg kennen zu lernen. Die Zeit des Hierseins wird kurz sein. Täglich wird versucht, sich vom militärischen Dienst zu drücken. Das gelingt ganz gut, da wenig beaufsichtigt wird. Von Übel ist, daß wir morgens mit den hier stationierten Einheiten vor der Kaserne zum Appell anzutreten haben. Schon nach der ersten Nacht werde ich vom UvD aus dem Bett gescheucht mit Pfeifender Mahnung.
Am ersten Vormittag ist Arbeitsdienst am Schützenpanzer angesagt,gelegentlich sind leichte Handwerks-und Schweißarbeiten im "Panzernebenzeugamt auszuführen. Allabendlich sind wir bis 24.00 Uhr im Städtchen unterwegs. Deshalb fühlen wir uns in Naumburg richtig wohl gegenüber Hartha. Heute am Freitag den 14.01.44 haben wir den ganzen Tag in der Stadt, herumgelungert, haben Haare schneiden lassen, durchstreifen die Windmühlen- und Jakobstraße, sind am Linden- und Bismarckplatz, am Markt um einiges zu nennen. Die Eilme"Der weiße Traum" und "Leichtes Blut" sehe ich mir an.
Die unbeschwerten und sorglosen Ta.ge in Heimatnähe dürften bald zu Ende sein, denn am Samstag sind die oberhalb von Naumburg im Wald bereitgestellten Befehls-Schützenpanzer zum Naumburger Ostbahnhof zu fahren. Diese kleinen gepanzerten Kettenfahrzeuge sind mit Wählschaltungen ausgerüstet. Solche Vehikel hatte ich bisher nicht kutschiert. Dennoch bringen wir die 36 Schützenpanzer unversehrt den Berg hinab durch die Stadt zum Bahnhof auf die vorgehaltenen Waggons.
Morgens 5.00 Uhr des 16.01.44 geht die Reise los als Sonderzug über Leipzig, Cottbus, Glogau, Warschau. Am Warschauer Ostbahnhof ist Aufenthalt Der Zug darf nicht verlassen werden. Das Deutsche Rote Kreuz versorgt uns mit grauer Graupensuppe, dünn und kräftig, wie es heißt. Trotzdem ist sie willkommen als warme Zusatzverpflegung. Von Warschau gehts weiter nach Brest-Litowsk, Pinsk, Lunisses. Am 21.01.44 gegen 16.00 Uhr kommt der Zug in Slobodka II in den Pripjet-Sümpf en an. Die Schützenpanzer werden sofort entladen. Am nächsten Morgen ist nach etwa 50 Kilometer Bandfahrt der Divisionsstab erreicht. Die Fahrzeuge werden abgeliefert. Die Landschaft ist eben. Niederholz, Kuscheln, lichter Waldbewuchs wechseln und bedecken den feuchten Wiesengrund. Schnee ist nicht vorhanden.
Die kommende Nacht schlafen wir fünf abkommandierten in ei-
nem ausgeräumten,kalten Kuhstall, in dem einige russische Verwundete Soldaten untergebracht sind. Zu später Stunde werden die Gefangenen von deutschen Landsern abgeholt. Sie werden auf einen LKW geworfen. Wir sind über diesen barschen Umgang mit den Russen verblüfft. Hier herrschen anscheinend rauhe Sitten. Die beiden Landser scheren sich nicht um unsere vorsichtigen Bemerkungen zu diesem unmenschlichen Verhalten gegenüber wehrlosen Geschöpfen.
Was weiß ich schon, gerade 18 Jahre alt geworden, vom tatsächlichen Krieg, von dem ich später nicht verschont bleibe.
Vom Transport-Begleitpersonal verbleiben 18 Mann bei der Einheit im Osten. Wir anderen werden mit einem LKW zur "Bahnlinie zurückgebracht. Vom Bahnhof Majarowka geht es per Zug heimwärts nach Deutschland. In Falkenberg wird entlaust.
Am Sonntag den 30.01.44 gegen Mittag kommen wir in Halle an. Zwei Stunden Wartezeit sind angesagt. Die Bahnpolizei gestattet einen Spaziergang in die Stadt. Fliegeralarm kommt dazwischen. Die Sirenen heulen. Wir eilen zum Bahnhof zurück.
gegen 15.30 Uhr melden wir uns in Naumburg beim "Panzernebenzeugamt und um die Nachtmitte des 01.02.44 sind wir bei unserer Einheit in Hartha. Hier erwarten uns bei der l.Marsch-Kp. des Rgt's 14 der altbekannte sture Militärbetrieb und die widerliche Massenunterkunft im Tanzsaal dieses Ortes im Tal.
Der Bahntransport vom 10.0l.bis 30.01.44 ist eine abwechselungsreiche Variante in der stumpfen Ausbildungszeit mit dem glücklichen Umstand, vor der russischen Front nach Deutschland zurückkehren zu können.