anschließend auf eine Dolmetscherschule in Leipzig und am Tag, als die Russen kamen, bin ich mit dem Fahrrad gen Westen “ausgewandert”.
Ich war jahrelang Mitglied im Turnverein Jahn. Leiter der Gruppe war der sehr engagierte Herr Böhme, ein ehemaliger Turner. Wir trafen uns einmal wöchentlich in der Turnhalle der Realschule. Zur Riege gehörten ca. 10 -15 Mädchen. Ablauf des Abends: am Klavier Herr Ronneburg, der am völlig verstimmten Instrument den “Fröhlichen Landmann” und eine weitere Melodie spielte. Es gab für uns eine Art Choreographie. Dann folgte der aktive Teil: Geräteturnen, zuerst nach Lust und Laune, anschließend gezieltes Training. Ich glaube, dass wir der einzige Turnverein in der Stadt waren. In der Schule hatten wir die besten Noten: Alle anderen Schüler kannten die Turngeräte überhaupt nicht, während wir schon an unserer Kür arbeiteten. Leistungsmäßig kamen wir bis zu den Bezirksmeisterschaften (Weißenfels?).
Ich weiß nicht mehr, wann alle Tätigkeiten der HJ untergeordnet wurden. Wir sind längere Zeit eine Ausnahme gewesen. Weil wir als einzige Erfolge brachten, durften wir weiterhin mit unserem Herrn Böhme turnen und trainieren. Den Sonntag verbrachten wir auf dem Sportplatz (von der Jenaerstrasse aus zu erreichen). Ich glaube, dass wir auch einfache Arbeiten am Platz ausführten. Wir hatten einen Barren zur Verfügung, eine Stoppuhr und Maßbänder. Wir trainierten Weitsprung, 50- oder 75-m-Lauf, vielleicht auch Kugelstoßen. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir diese Außenseiterrolle spielen durften. Später löste der Dienst im BDM unsere sportlichen Aktivitäten auf dem Sportplatz ab unter Hilde York. Unser Kommentar: “Wer nichts ist und wer nichts kann, der ist in Naumburg auf dem Bann”. Dieser Dienst wurde dann gegen 1942 ausgeweitet und wir übten beim Langemarckdenkmal mit Papp-Panzerfäusten auf Papp-Panzer zu “schiessen”. Mir ist erst sehr viel später bewusst geworden, dass wir aufgrund unserer sportlichen Leistungen den Nazis ein Schnippchen schlagen konnten.